Reverse Recruiting:
Bewerbung auf der Gegenfahrbahn
Kategorien: RECRUITING, PERSONALDIENSTLEISTUNG | 13. November 2024
Spannende Zeiten, neue Methoden: Der intensive Wettbewerb um die besten Talente zwingt Personaler zum Umdenken. Bei der Suche nach Fachkräften entstehen neue Ideen und Methoden wie das Reverse Recruiting. Doch was steckt hinter diesem Begriff? Ist es ein vorübergehender Trend oder wird es die traditionelle Art und Weise der Bewerbung bald ersetzen? Für eine selbstbewusste, junge Generation an Talenten steht bereits ein Motto im Raum, das lautet: Ich drehe die Jobsuche um. Unternehmen bewerben sich bei mir! Unser kurzer Artikel erklärt, wie und warum das gut funktioniert.
Jobsuche andersrum:
Was ist Reverse Recruiting?
Das Ende der Einbahnstraße: Die komfortablen Zeiten, in denen Arbeitgeber zurückgelehnt auf eingehende Bewerbungen warten, sind vorbei. Beim Reverse Recruiting bewerben sich die Unternehmen um die Kandidat:innen. Was bisher eine Einbahnstraße war, wird jetzt in beiden Richtungen befahren. Personaler gehen proaktiv auf potenzielle Mitarbeiter:innen zu und präsentieren sich und ihre Firmen als attraktive Arbeitgeber.
Reverse Recruiting Definition: Was ist der Unterschied zum Active Sourcing?
Ähnlich aber nicht gleich: Beim Active Sourcing liegt der Fokus auf klassisches „Headhunting“.
Das ist ein aktives Suchen und „kaltes“ Ansprechen von potenziellen Kandidat:innen durch Recruiter:innen oder Headhunter:innen. Das Active Sourcing oder Headhunting erfordert eine gezielte Recherche und die persönliche Ansprache von Fachkräften, die möglicherweise nicht aktiv auf Jobsuche sind. Das kann auch gezielte Abwerbung sein. Es handelt sich beim Active Sourcing quasi um einen „kalten Kontakt“ beim Recruiting, zumeist auf Social Media– oder Business-Plattformen wie Xing oder LinkedIn.
Instaffo und Co: Reverse Recruiting findet auf speziellen Plattformen statt.
Im Gegensatz zum Active Sourcing reagiert Reverse Recruiting auf die Bedürfnisse von wechselbereiten Kandidat:innen. Hier sprechen HR-Verantwortliche passende Fachkräfte an, die auf speziellen Plattformen ihr Profil und ihre Wechselbereitschaft präsentieren. Das Prinzip dreht den klassischen Recruiting-Prozess um, aber er macht ihn auch effizienter und gezielter. Die Bewerberauswahl liegt dabei stärker bei den Kandidat:innen. Der potenzielle „Arbeitnehmer“ empfängt die Anfragen, während der „Arbeitgeber“ mit seiner „Bewerbungsmappe“ plausibel seine Attraktivität als Unternehmen unter Beweis stellen muss.
Die wichtigsten Reverse-Recruiting-Plattformen im Überblick
Die Strategie: Wie funktioniert
Reverse Recruiting effektiv?
Damit Reverse Recruiting in der Praxis funktioniert, müssen Unternehmen eine klare Personalbeschaffungs-Strategie entwickeln, um geeignete Talente zu identifizieren und anzusprechen. Das beinhaltet einen vorlaufenden analytischen Prozess, der Candidate Personas.
Wie finden Arbeitgeber geeignete Kandidat:innen beim Reverse Recruiting?
Wer die passenden Leute gewinnen möchte, muss selbst Gutes und Passendes anbieten. Und er muss wissen, wen oder was er wirklich sucht. Auf den Plattformen präsentieren sich wechselbereite Kandidat:innen selbst mit einem strukturierten Profil. Je nach Ausführlichkeit beinhaltet es nicht nur Lebensläufe, Qualifikationen und Erfahrungen sondern auch Gehaltswünsche oder Wunsch-Einsatzgebiete, Orte und Tätigkeiten. Der Personaler vergleicht nun: Welche Qualifikationen und Erfahrungen werden benötigt? Welche Ziele, Wünsche und Lebensansprüche verfolgen die potentiellen Kandidat:innen? Mit welchen Angeboten von Seiten meines Unternehmens kann ich die Fachkraft überzeugen und begeistern, bei uns anzufangen? Finden sich positive Überschneidungen, erfolgt der Kontakt.
Gute bis sehr gute Erfolgsquoten der Vermittlung
Plattformen wie Instaffo, Honeypot , 4Scotty und StepStone bieten Arbeitgebern gegen eine Grundgebühr Zugang zu potenziellen Kandidat:innen, die ihre Profile hinterlegt haben. So signalisieren sie, dass sie offen für Angebote sind. Der Erfolg von Reverse Recruiting hängt davon ab, wie gut das Unternehmen diese Plattformen nutzt und wie präzise es seine Suchkriterien definiert.
Wie gestaltet man eine attraktive Ansprache beim Reverse Recruiting?
Die Ansprache der Kandidat:innen muss nicht nur informativ, sondern auch ansprechend, motivierend und überzeugend sein. Unternehmen sollten gezielt auf die Bedürfnisse der Kandidat:innen eingehen, etwa durch flexible Arbeitszeitmodelle, Weiterbildung, Gewinnbeteiligungen oder attraktive Gehaltspakete.
Das erfordert eine persönliche, wertschätzende Ansprache, die auf die individuellen Wünsche der Kandidat:innen eingeht.
Warum überhaupt eine neue Recruiting-Strategie?
Das Thema Fachkräftemangel zwingt Unternehmen dazu, neue Wege in der Personalbeschaffung zu gehen. Außerdem ist eine neue Generation an Talenten herangewachsen, die bewusster, kritischer und wählerischer ihren Lebensweg gestaltet. Reverse Recruiting bietet eine Lösung, indem es Unternehmen ermöglicht, aktiv auf die Bedürfnisse der Talente zuzugehen, anstatt darauf zu warten, dass passende Bewerber:innen vor der Tür stehen.
Welche Herausforderungen bestehen auf dem aktuellen Arbeitsmarkt?
Die größte Herausforderung ist der Mangel an qualifizierten Fachkräften in bestimmten Branchen. Hinzu kommen veränderte Erwartungen der Kandidat:innen an Arbeitsbedingungen und Unternehmenskultur. Viele Talente bevorzugen Unternehmen, die flexible Arbeitsmodelle anbieten und sich klar zu Werten wie Nachhaltigkeit und Diversität bekennen.
Welche Rolle spielt das Employer Branding
beim Reverse Recruiting?
Employer Branding ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg von Reverse Recruiting. Ein starkes und positives Arbeitgeberimage hebt Unternehmen von der Konkurrenz ab, spricht sich herum und zieht Talente an.
Employer Branding umfasst nicht nur die Kommunikation von Unternehmenswerten und Kultur, sondern auch die Darstellung von Aufstiegschancen, Weiterbildung und Benefits. Kandidat:innen, die sich von der gesamten Unternehmenskultur angesprochen fühlen, sind eher für ein Jobangebot zu begeistern.
Augenmaß und Balance: Welche Herausforderungen gibt es beim Reverse Recruiting ?
Trotz der Vorteile von Reverse Recruiting gibt es auch Herausforderungen. Eine der größten ist der Datenschutz. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie die Daten der Kandidat:innen vertraulich behandeln und alle gesetzlichen Vorgaben einhalten. Außerdem erfordert die proaktive Ansprache einen gut abgestimmten Prozess, der eine Balance zwischen Direktheit und Zurückhaltung wahrt. Massenmails, Bots und aufdringliche Ansprachemethoden könnten potenzielle Talente abschrecken.
Wie kann man Mitarbeiter:innen nach dem Reverse Recruiting integrieren und binden?
Form und Inhalt sollten übereinstimmen. Versprechen, die beim Reverse Recruiting gemacht wurden, sollten sich auch einlösen. Ein gut strukturierter Onboarding-Prozess hilft dabei. Die neuen Mitarbeiter:innen möchten sich reibungsfrei in die Unternehmenskultur einfinden und ihre Rolle im Team verstehen. Regelmäßige Feedbackgespräche und ein individueller Einarbeitungsplan können helfen, die neuen Talente erfolgreich in das Unternehmen zu integrieren und langfristig zu binden.
Warum sollten Unternehmen auf Reverse Recruiting umsteigen?
Traditionelle Bewerbungsverfahren können für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber zeitaufwendig und ineffizient sein, besonders in Branchen mit starkem Wettbewerb um Talente. Im üblichen Fall müssen Arbeitgeber Stellenanzeigen schreiben und danach zumeist passiv abwarten. Durch Reverse Recruiting beschleunigen die Unternehmen den Rekrutierungsprozess enorm. Sie gehen gezielt auf Kandidat:innen zu, die genau in das Anforderungsprofil passen. Zudem ermöglicht es, langfristige Beziehungen zu potenziellen Talenten aufzubauen, was besonders in Zeiten des Fachkräftemangels von Vorteil ist.
Allerdings muss es nicht immer ein kompletter Umstieg sein. Klassische und neue Recruiting-Methoden können sich problemlos ergänzen und so den Recruiting-Erfolg maximieren.
Online und Offline:
Die Candidate Journey im Reverse Recruiting
Die Bewerbung über mobile Endgeräte spielt eine immer größere Rolle im Reverse Recruiting. Unternehmen stellen sicher, dass ihre Präsenz auf allen Endgeräten problemlos funktioniert, da viele potenzielle Kandidat:innen heutzutage über Smartphones auf Jobangebote zugreifen. Die Candidate Journey sollte bei allen Recruiting-Methoden von den Kandidat:innen möglichst nutzerfreundlich und positiv erlebt werden.
Wie kann man mobile Bewerbungen im Reverse Recruiting integrieren?
Eine mobil-optimierte Karriereseite und Bewerbungsplattform sind der erste Schritt. Zudem sollten Unternehmen darauf achten, dass alle relevanten Informationen leicht zugänglich und die Bewerbungsformulare so kurz wie möglich gehalten sind. Eine One-Click-Bewerbung sollte angestrebt werden. Profile von LinkedIn oder anderen Plattformen einfach zu importieren, beschleunigt den Bewerbungsprozess und senkt die Hemmschwelle zur Bewerbung.
Reverse Recruiting – ein Trend mit
Zukunft in der Personalbeschaffung
Reverse Recruiting könnte sich in den kommenden Jahren zu einem zentralen Baustein der Personalbeschaffung entwickeln. Es ist durchaus denkbar, dass Reverse Recruiting in bestimmten Branchen die herkömmlichen Bewerbungsprozesse ersetzen könnte. Überall dort, wo die Lage besonders angespannt ist. Besonders in der IT und in anderen technischen Fachbereichen, bietet dieser Ansatz deutliche Vorteile. Allerdings wird die traditionelle Bewerbung in weniger spezialisierten Bereichen vermutlich weiterhin bestehen bleiben oder es werden verschiedene Methoden verwendet.
Wie wird sich Reverse Recruiting in Zukunft weiterentwickeln?
Mit der zunehmenden Digitalisierung der Arbeitswelt werden auch die Methoden der Personalbeschaffung immer weiter automatisiert und optimiert. Künstliche Intelligenz und Datenanalysen könnten eine noch gezieltere Ansprache von Talenten ermöglichen. Plattformen für Reverse Recruiting könnten in Zukunft noch mehr personalisierte Angebote bieten, um die besten Talente passgenau anzusprechen.
Wie kann Reverse Recruiting in bestehende Auswahlverfahren integriert werden?
Reverse Recruiting kann nahtlos in bestehende Auswahlverfahren integriert werden. Unternehmen sollten sicherstellen, dass die über Reverse Recruiting gewonnenen Kandidat:innen denselben standardisierten Auswahlprozess durchlaufen wie andere Bewerber:innen. Dabei ist es wichtig, dass die Ansprache und das Onboarding gut koordiniert sind.
Fazit: Reverse Recruiting als Zukunft der Personalbeschaffung
Reverse Recruiting revolutioniert die Personalbeschaffung, indem es den Fokus vom passiven Recruiting auf eine proaktive Ansprache von Talenten verlagert. Unternehmen, die diese Strategie erfolgreich umsetzen, können sich einen klaren Wettbewerbsvorteil sichern. Um das volle Potenzial auszuschöpfen, sollten Unternehmen auf starke Employer Branding-Strategien setzen, eine mobile-optimierte Bewerbung und einen vertrauenswürdigen Schutz der Daten.
Stefan Hackel
Autor
Stefan ist seit rund 7 Jahren bei index an Bord. Der (Wahl-)Berliner mit schwäbischen Wurzeln und sächsischer Lebenserfahrung verantwortet die gesamte Pressearbeit der Unternehmensgruppe. Er trommelt hauptsächlich bei Journalisten von Fach- und Leitmedien für index und seine Kunden. Hin und wieder teilt er aber auch in Blogbeiträgen sein Wissen mit der HR-Community.
BILDQUELLEN Beitragsbilder: index GmbH & istockphoto