So gewinnt man
Vertrieb-Profis –
Interview mit Dirk Tekath

Kategorien: Recruiting | Lesedauer: 7 Min.

25. November 2021 | Autor: Daniel Butt

Die wohl größte Herausforderung für alle Unternehmen in der Branche, ob groß oder klein, etabliert oder vor Kurzem gegründet: Motivierte, gut ausgebildete und erfolgreiche Mitarbeiter:innen begeistern, gewinnen und langfristig zu halten.
Seit 2009 fokussiert sich Dirk Tekath mit der gleichnamigen Personalberatung neben Führungskräften auf genau diese Zielgruppe von Vertriebler:innen / Sales-Profis und unterstützt vorrangig Personaldienstleister, Zeitarbeitsfirmen und Co. bei ihrem Wachstum.

Im Interview geht er unter anderem auf folgende Fragen ein:

  • Wie desaströs ist die Ausgangslage auf dem Markt wirklich?
  • Wie geht man das interne Recruiting an – und was lässt man lieber?
  • Was sollte man lieber früher als später umsetzen, um erfolgreich zu bleiben?

Viel Spaß mit diesem Interview!

index: Herr Tekath, wie schaut es auf dem Jobmarkt aus? Welchen Herausforderungen muss sich die Branche aktuell stellen?

Dirk Tekath: So richtig rosig sieht es natürlich nicht aus, das wissen wir glaube ich alle, Stichwort Fachkräftemangel. Gerade die Dienstleistungsbranche, zu der Personaldienstleister und Personalberater natürlich gehören, leidet besonders unter hoher Fluktuation, mehr als beispielsweise die Industrie. Bei Vertriebler:innen macht sich dies deutlich bemerkbar.

Woran liegt’s?

Im Vertrieb ist schon ein spezieller Schlag Menschen unterwegs, sie verlieren öfters mal die Lust, brauchen intensive und regelmäßige Coachings, eine gute Betreuung und ein forderndes, gleichzeitig aber auch förderndes Arbeitsklima. Das ist aber auch klar: Mal feiert man große Erfolge, dann muss man wieder Durststrecken durchstehen.
Die Umsätze und somit das Wachstum des Unternehmens sind maßgeblich an die Performance des Recruiting- und Sales-Teams gekoppelt. Wenn man solche Mitarbeiter:innen verliert, sei es an die Konkurrenz, weil sie sich selbstständig machen oder gar den Markt verlassen, tut dies dann natürlich nochmal mehr weh: Die Folge: Kunden- und Umsatzverlust.

Wie schaut es mit Corona aus – welche Auswirkungen aufs Wachstum und interne Recruiting hat(te) die Pandemie?

Gegen 2018 gab es bereits Einbrüche spezifisch in der Zeitarbeit. Von rund 1. Million vermittelten Arbeitskräften zu Hochzeiten sank es auf rund 700.000 – also fast 30% weniger. Während Corona Hochphasen war das natürlich noch schlimmer. Jetzt finden wir uns in einem ziemlichen Aufschwung wieder und der Bedarf an internen Fach- und Führungskräften steigt überall. Das sehe ich deutlich auch bei den Anfragen, die wir als Personalberatung bekommen.

Lassen Sie uns über Home Office sprechen, da gehen die Meinungen ja auseinander; wie kann das im Vertrieb denn gut funktionieren?

Klar, viel in unserer Branche läuft über Face-2-Face. Aber auch Telefonakquise im Vertrieb ist was ganz anderes, wenn die Kolleg:innen mit im Büro sind. Man kann gemeinsam Sektkorken knallen lassen oder sich mal auskotzen, wenn’s nötig ist.

Anführungszeichen

Wenn jemand aus meinem Vertrieb „full remote“ ausprobieren möchte, würde ich dem nicht im Wege stehen. Bisher wollte das aber noch niemand.

Trotzdem kann Remote Work auch vertrieblich gestaltet werden. Dieselben Methoden und Prinzipien, die eine gute und langfristige Zusammenarbeit möglich machen, müssen dann eben digital und dezentral durchgeführt werden.
Aktuell arbeiten unsere Mitarbeitenden durchschnittlich einmal pro Woche von zuhause oder außerhalb. Aber das kommt auch auf die Aufgaben an, wenn gerade viele Recruiting Gespräche anstehen, die in der Regel abends durchgeführt werden – warum sollte man die nicht von zuhause aus machen?
Aber, da will ich auch ganz ehrlich sein, ich persönlich brauche den direkten Austausch und bin lieber im Office. (Zumindest, was die Arbeit betrifft.)
Wenn jemand aus meinem Vertrieb „full remote“ ausprobieren möchte, würde ich dem nicht im Wege stehen. Bisher wollte das aber noch niemand.

Sie haben eben Methoden und Prinzipien angesprochen, was meinen Sie damit genau?

Na, fangen wir mal mit dem Onboarding von neuen Mitarbeiter:innen an. Gerade, wenn ich während eines Lockdowns jemanden einstelle und einarbeite, ist das natürlich eine Herausforderung, das digital zu gestalten – wobei auch beim analogen Onboarding schon viel schiefgehen kann, klar.
Wichtig ist, dass im Vorfeld die Erwartungshaltungen beider Parteien klargezogen werden: Was möchtest du, was möchte ich? Was brauchst du, um gut arbeiten zu können? Was kann ich als Führungskraft dir als neue:r Vertriebler:in zusichern?
Neben einer guten Ausstattung fürs Home Office und den richtigen Tools für die tägliche Arbeit braucht es natürlich auch einen ordentlichen Einstieg ins Team. Wir starten zum Beispiel mit festen Meetings gemeinsam in die Woche und machen kleinere Follow-Up Meetings im Verlauf. So sehen wir, wer gerade woran arbeitet, vielleicht Unterstützung braucht oder Kapazitäten übrig hat. Vor allem wenn man sich nicht in Persona sehen kann, sind solche festen Termine Gold wert, neue Kolleg:innen können sich kennenlernen und werden direkt eingebunden.
Darüber hinaus muss man als Führungskraft nicht nur ein offenes Ohr haben, sondern dieses ganz aktiv anbieten. Ich persönlich führe wirklich ständig Gespräche mit allen Teammitgliedern, berate und versuche, wo es geht, zu empowern. Wenn jemand besondere Fähigkeiten und/oder Interessen hat, dann schauen wir, wo man diese einbringen kann – das zeigt Wertschätzung und bringt uns natürlich auch voran, manchmal in ganz neue Richtungen, an die man vorher gar nicht gedacht hat.
Deshalb ist es bei uns Usus, dass jeder mindestens eine von uns finanzierte Fortbildung im Jahr absolviert, egal, in welchem Themenbereich.

 Spannend, wenn jemand aus dem Vertrieb sich im Thema „Online Marketing“ fortbilden möchte, ist das bei Ihnen möglich?

Unbedingt!

Werfen wir mal einen Blick in die Zukunft, 2022 steht vor der Tür. Bezüglich des internen Recruitings, wie stellt man sich auf?

Wenn Sie jetzt erst anfangen, sich um ihre Ziele für 2022 zu kümmern, ist das natürlich etwas spät! Es reicht ja auch nicht, Mitte Mai für die angestrebte Bikinifigur im Juni zu trainieren.
Aber da sage ich, glaube ich, nichts Neues, das weiß eigentlich jeder – man muss seine Ziele kennen, formulieren und dann priorisieren. Ein kleines Beispiel: Ich wollte spätestens 2022 mit drei zusätzlichen Teammitgliedern starten – die dritte Person fängt im Januar an.

Glückwunsch!

Danke.
Ein Problem, was ich immer wieder sehe, ist ein Mangel an Commitment. Entweder wird sich stark auf die Akquise fokussiert und das Recruiting aus dem Blick verloren – oder andersherum. Dann kümmert man sich beispielsweise besonders um neue Kolleg:innen, aber ignoriert die langfristigen Mitarbeiter:innen. Dabei sind diese der Motor, der ein Unternehmen antreibt und voranbringt.
Kurzgesagt: Das interne Recruiting ist eine Schlüsselrolle im Unternehmen. Entweder kümmert sich da jemand Vollzeit – nicht ein paar Stunden die Woche nebenbei! – oder man beauftragt jemand Externen. Präferiert natürlich jemanden vom Fach, die oder der die Branche kennt und versteht.

Haben Sie ein paar konkrete Tipps oder Praxisbeispiele, die einem beim internen Recruiting helfen?

Unternehmen müssen sich bewusst sein, dass sie heutzutage komplett transparent sind. Kununu, Glassdoor, Google Rezensionen! Als potenziell neue:r Kolleg:in informiert man sich im Vorfeld. Gottseidank kann man seine Sichtbarkeit zu großen Maßen steuern. Ich habe in der Hand, welche Fotos beispielsweise bei Google auftauchen, wenn man meine Personalberatung sucht. So kann man sehen, wie wir hier uns kleiden, wie die Räumlichkeiten aussehen, wofür wir stehen usw.
Ein anderes Beispiel: Über die sozialen Medien habe ich letztens ein großes „Dankeschön!“ an meine Mitarbeiter:innen ausgesprochen, was auf gute Resonanz stieß und viel geteilt wurde.

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Jemand aus meiner Vergangenheit hätte kommentieren können „Ja Dirk, jetzt sagst du Danke, aber zu mir damals warst du nicht so nett.“ Darauf hätte ich dann geantwortet: „Das stimmt, aber auch ich entwickele mich weiter.“

So Etwas kann auch nach hinten losgehen, oder?

Es wird immer Menschen geben, die das gut finden, andere wiederum nicht. Klar, damit zeige ich mich auch verletzlich! Jemand aus meiner Vergangenheit hätte kommentieren können „Ja Dirk, jetzt sagst du Danke, aber zu mir damals warst du nicht so nett.“ Darauf hätte ich dann geantwortet: „Das stimmt, aber auch ich entwickele mich weiter.“
Ich glaube daran, dass Ehrlichkeit und Authentizität immens wichtig sind. Wenn ich jemanden spannend finde, dann sage ich der Person das. Öfters sind genau daraus schon Aufträge, Kooperationen und wertvollen Kontakte entstanden, beispielsweise Gastauftritte im Podcast „Liebe Zeitarbeit“. Potenzielle Mitarbeiter:innen sehen das natürlich ebenfalls bei ihren Recherchen zum neuen Arbeitsplatz.

Wenn Sie der Branche einen letzten Ratschlag mitgeben könnten, welcher wäre das?

Internes Recruiting ist was durch und durch Anderes als externes Recruiting, also als Dienstleistung. Der eben angesprochene Fokus, den darf man niemals aus dem Blick verlieren! Wer sich halbherzig darum kümmert, wird auch nur halben Erfolg haben.
Unterm Strich muss man sich Zeit nehmen, priorisieren und die Mitarbeiter:innen, wenn man sie für sich gewinnen konnte, dann auch immer wertschätzen. Das geht, indem man Routinen schafft, regelmäßig im Austausch steht, Termine nur im absoluten Notfall verschiebt, einfach nichts schleifen lässt, also niemals aufhört, am Beziehungsmanagement zu arbeiten.
Wenn ich die Liebe meines Lebens heirate, dann höre ich doch auch nicht auf, mich um die Beziehung zu kümmern, oder? Naja, wobei, manche vielleicht schon (er lacht).

Alle, die jetzt auf einen „quick & easy“ Tipp gehofft haben, werden wohl enttäuscht sein!

So ist es leider nun Mal. Eine „Candidate Journey“, wie es heutzutage heißt, ist harte Arbeit, die nicht aufhört. Es ist ja auch keine Schande, sich dabei Hilfe zu holen. Übrigens, eine gute Personalberatung kümmert sich auch entlang dieser Journey und unterstützt dabei. Ich kenne da persönlich eine, die ich sehr empfehlen kann!

Ein gutes Schlusswort – besten Dank für Ihre Zeit und das spannende Interview!

Dirk Tekath Geschäftsführer

Dirk Tekath
Tekath Personalberatung

Tekath ist in der Zeitarbeit „groß geworden“, seit 1996 hat er zwei Unternehmen maßgeblich beeinflusst und entwickelt. Seit 2009 ist er mit seinem eigenen Unternehmen auf das Recruiting von interner Fach- und Führungskräfte in der Branche fokussiert, weil er dort seine Erfahrungen und Fähigkeiten am gewinnbringendsten einsetzen kann.
Mit seinem 14-köpfigen Team bietet er eine 360-Grad-Personalberatung an, die vom ersten, telefonischen Kontakt bis über die Onboardingzeit hinaus sowohl Unternehmen als auch Kandidat:innen betreut.

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